Was ist Meditation ?

 

 

"Meditation ist Ruhen, absolutes Ru­hen, ein Still­stand aller Aktivität - der körper­lichen, der geistigen und der emotiona­len. Wenn du dich in einem so tie­fen Ru­hezustand befin­dest, dass sich nichts in dir regt, wenn jede Tätigkeit als solche auf­hört - so, als würdest du tief schlafen und trotzdem wach sein -, dann erkennst du, wer du bist. Plötzlich öffnet sich ein Fenster. Man kann es nicht mit Anstrengung öffnen, weil jede Anstrengung Spannung erzeugt und Span­nung die eigentliche Ursache all un­seres Leidens ist. Des­halb gilt es ganz grundlegend zu verstehen, dass Meditation keine Anstrengung bedeu­tet. Mit Meditati­on muss man sehr spie­lerisch um­gehen, man muss ler­nen, Spaß daran zu haben. Man darf keine ernste An­gelegenheit daraus machen - so­bald du ernst bist, hast du sie schon verpasst. Man muss sich sehr spielerisch darauf einlassen. Und man muss sich bewusst sein, dass man immer tiefer zur Ruhe kommt. Das Passwort ist Ruhe, Entspannung. Tue nichts, was der inneren Ruhe und Ent­spannung zuwiderläuft. Richte dein Le­ben entsprechend ein, gib alle sinnlosen Aktivitäten auf, denn neunzig Prozent davon sind sinnlos; sie die­nen nur dazu, die Zeit tot­zuschlagen und sich beschäf­tigt zu hal­ten. Tue nur das Wesent­liche und widme dei­ne Energie immer mehr der inneren Reise. Dann ge­schieht jenes Wunder, dass du gleichzeitig ruhig und tätig bleiben kannst. Das ist die Be­gegnung von Dies­seits und Jenseits, die Begeg­nung von Materialism­us und Spiritualität." (Osho)

 

Angesichts der enormen Vorteile, die das Meditieren bietet, stellt sich die Frage, warum nur relativ wenige Menschen meditieren, und warum fast jeder Zweite die Meditationspra­xis bereits nach kurzer Zeit been­det, wie verschiedene Unter­suchungen belegen (zum Bei­spiel eine Studie der Un­iversität Potsdam aus dem Jahr 2004). Den Hauptgrund für die niedri­ge Medita­tionsquote und die hohe Abbruchrate liegt daran, dass Meditation die Bereitschaft erfordert, die Wirklichkeit so zu sehen, wie sie ist. Wie unbefriedigend das eige­ne Le­ben auch empfunden werden mag, die meis­ten Men­schen halten lieber daran fest, als das Risiko einer grundlegenden Veränderung einzugehen. Wer aber regelmä­ßig meditiert, muss da­mit rechnen, dass sich sein Selbst- und Weltbild grundlegend wan­deln wird. Das alte hyperreflektie­rende Selbst wird allmäh­lich durch ein präsentes Selbst er­setzt, da der leere Raum, den wir uns in der Medi­tation zur Verfügung stellen, sukzessive all unsere Ego-Kon­zepte schluckt. Bei vie­len Meditierenden löst das eine Angst vor der Leere (hor­ror vacui) aus, was sie dazu veranlasst, gar nicht erst mit dem Meditieren anzufangen, oder es schnell wieder aufzuge­ben. Die großen Meditationsexperten aller Zeiten, besonders die Zen-Bud­dhisten, erklären übereinstim­mend, dass wer regelmäßig wach und zwanglos meditiert, früher oder später zu dem Punkt kommt, wo er hinter den dualistischen Fassa­den der phänomenalen Welt die Einheit von allem ent­deckt. Diese Erfahrung wird als Erwachen, Erleuchtung, Sa­tori usw. bezeichnet. Dieser transzendente Aspekt der Meditation ist vielen westlichen Menschen fremd oder gar unheimlich. Sie haben meist nur die weltli­chen Vor­teile des Medi­tierens im Auge, was am An­fang auch über­haupt kein Problem dar­stellt. Wer aber ernst­haft meditiert, wird sich auf Dauer der transzen­denten Ebene nicht verschließen können, es sei denn, er blockt diese be­wusst ab. Dann aber gerät der ge­samte Medita­tionsprozess ins Sto­cken, da alles Zwanghaf­te den freien Ener­giefluss auf der physi­schen wie auf der mentalen Ebene blockiert. Meditati­on bedeutet eine kopernikanische Wende bezüglich des In-der-Welt-Seins. Uns wird allmählich oder blitzartig bewusst, dass es im Universum keine Grenzen gibt, außer de­nen, die unser dua­listisches Denken selbst ge­zogen hat.

 

Dass Medita­tion messbare Wirkungen hat, haben die Neurologen Robert Benson und Herbert Wallace von der Harvard-Universität nach zahlreichen Untersu­chungen fest­gestellt. Sie sagen: "Wenn sich die Ge­danken beruhigen, ver­schiebt sich die elektrische Hirntä­tigkeit in den ruhigeren Rhythmus der soge­nannten Al­pha-Wellen, was eine Reduzie­rung von Pulsfre­quenz, Sauerstoffver­brauch und Blut­druck zur Folge hat. Der ganze Organismus geht in einen ausba­lancierten Zu­stand über, den das Gehirn als entspannt und angst­frei emp­findet. Regelmäßige Meditation stärkt das Immun­system und er­zeugt weniger Stress­hormone." Erfahre­ne Meditierer erzähl­en von weit mehr als nur den Ef­fekten rei­ner Entspannung. Der Medi­ziner Mi­chael Baime, der an der Universität von Pennsylvania in Philadelphia die Stressfors­chung lei­tet und sich seit dreißig Jah­ren in buddhistischer Meditation übt, be­schreibt einen solchen Au­genblick so: „Es war eine Empfin­dung von Energie, die in mir ihr Zentrum hatte, in einen un­endlichen Raum aus­strömte und wie­der zu­rückkam. Mein Geist entspann-te sich, und ich spürte intensive Liebe, Klar­heit und Freude. Die Verbunden­heit mit allen Wesen in der Welt war so tief, als wäre da nie eine Trennung gewe­sen." Der Verstand geht Problemen gern aus dem Weg, denn er ist ein Meister der Verdrängung, anstatt sie zu besei­tigen, schiebt er sie lieber erst mal ins Un­terbewusstsein, wo sie sich als Ängste mani­festieren. Ängste sind oft sehr diffus und komplex, sodass es für einen Thera­peuten fast un­möglich ist, eine genaue Diagnose vorzu­nehmen, da die Ursa­chen der Ängste oft sehr weit zurückliegen.

 

Mit Hil­fe der Meditation ist es möglich, mentale "Angstspeicher" des Un­terbewusstseins aufzulösen. Die Meditation richtet sich nicht ge­gen die Angst, weil ein Gegenmittel Angst nicht beseitigt, sondern eher ver­stärkt oder verdrängt. Die Medita­tion ist nicht nur eine Entspan­nungstechnik, wie beispiels­weise das au­togene Training, son­dern sie reaktiviert auch eine "spi­rituelle Heilenergie", die eine nachhaltige Gesun-d­ung der chro­nisch erkrankten Zellen bewirkt. Trau­matische Geschehnisse sind oft Ursache vieler psy-chosoma­tischer Krankhei­ten. Für die Psychothera­pie ist die Be­handlung des­halb so schwie­rig, weil es sich nicht nur um eine Ur­sache han­delt, sondern um gan­ze Ursachen­komplexe. Wenn die Ursachen dann einiger­maßen um­rissen wer­den können, versucht man die Konflikte mit Psycho­pharmaka unter Kontrolle zu hal­ten, die lang­fristig ein­genommen, wieder neue Krankheitsformen nach sich zie­hen. In den meisten Fäl­len werden die Ur­sachen der Krankheiten nicht be­seitigt, da sich diese im archetypi­schen Bewusstsein des Men­schen befin­den. Die Meditation ist ein "Ruhe-Impuls-Verfahren", das im Wesen des Men­schen ein Zentrum der Stille schafft. Ohne einen ruhenden Kern gerät un­ser Leben ständig in einen tau­melnden Zu­stand, der uns krank macht. Es ist wie auf einem Schiff: Wer sich stets an der Re­ling auf­hält, wird irgendwann seekrank. Der ru­higste Platz be­findet sich in der Mitte des Schif­fes.

 

Medizin und Meditation haben beide etwas mit Mitte zu tun, was an den beiden lateinischen Wort­silben medi erkennbar ist. Die Mitte finden, ist der Weg der Hei­lung und Genesung. Die lateini­sche Über­setzung des Wortes "Medi­tation" heißt Nachden­ken und Ein­üben. Über etwas nachzudenken bzw. zu medi­tieren heißt, sich über etwas klarwerden. Da der mensch-liche Geist in der Regel alles an­dere als klar ist, be­darf es der Ein­übung mittels einer Meditationstechn­ik. Die Unklarheiten stehen auch für Unwissenheit und Unbe­wusstheit, für Außer-Mittig­keit. Eine disziplin­iert-praktizierte Medita­tionstechnik führt zur Kontem-pla­tion (be­schauliches Nachdenken über...), Besin-nung (Bewusstwer­dung von...) und Transforma­tion (Umset­zung in...). Die Meditationstech­nik dient als Katalysator zur Auslösung von Tiefen­prozessen, die zur Hei­lung auf der Seelenebene füh­ren, wo auch alle physischen und psychischen Krankhei­ten ihre Ur­sachen fin­den. Sie ist der Wegbe­reiter zu einem medi­tativen Leben, das letztlich keine Meditationstechnik­en mehr braucht. Ein glückli­ches und von sämt­lichen Zwän­gen und Süchten be­freites Leben bedarf keiner kontrollie­renden Technik mehr. Es sind aber gerade die kondi­tionierten Kontrollmechanism­en, die uns gefangenhal­ten und daran hindern, den nächsten Ent­wicklungs-schritt zu vollziehen.

 

Die Techniken der Medi­tation führen zum Meditativ-Sein. Das Meditativ-Sein lässt sich jedoch nicht un­mittelbar erklä­ren, da es ein subjektiver Erfahrungs­prozess ist, sondern nur die Techniken, die diesen Pro­zess auslösen. Meditationstech­niken führen zu ge­danklicher Klarheit, Stille, Harmonie, Liebe und Mit­gefühl. Am Anfang auf dem Weg zum Medita­tiv-Sein steht das "Erwa­chen". Meditationstechn­iken sind gut, sie sind wie Medizin. Medizin wird ge­braucht, solan­ge man krank ist. Wenn man gesund ist, musst man damit auf­hören. Sie ist kein Selbst­zweck. Wenn man sie weiter­hin be­nutzt, wird man kränker als zuvor. Auch die Meditationstech­niken muss man irgend­wann hinter sich las­sen. Wer zulange daran fest­hält wird sonst neu­rotisch und be­findet sich auf dem nächsten Ego­trip. Es kommt der Augen­blick, wo man spontan leben muss, wo dem Han­deln und Nichthandeln kein Nach­denken vor­ausgeht - man isst, wenn man hungrig ist, man schläft, wenn man müde ist. Medi­tativ-Sein ist nicht Konzentration, denn Konzentration verengt das Be­wusst-Sein, Konzentration er­müdet, strengt an, führt zu einem Tun­nelblick. Alle Wissen­schaften ba­sieren auf Kon­zentration. Meditativ-Sein ist nicht Kontem­plation. Philosop­hische Be­trachtungen sind kontem­plativ, sind weiter gefasst als Kon­zentration. Medita­tiv-Sein ist keine Wissenschaft, keine Leh­re, keine Kunst, keine Leis­tung. Dichter, Maler, Tänzer kön­nen leichter meditativ wer­den als Geschäftsleute oder Politiker. Ehrgeiz, Macht­streben und Gerissen­heit verhindern den Zugang zur Meditation. Der Ver­stand kann Medita­tiv-Sein nicht fassen. Verstand ist Ver­wirrung, Unru­he, Zerris­senheit und Angst. Meditativ-Sein ist Nicht-Ver­stand. Medi­tativ-Sein kann vom Verstand, vom Denken her nicht begrif­fen werden. Medi­tativ-Sein ist reines Bewusst­sein.